Porträt
Erschienen in Süddeutsche Zeitung, 27. Oktober 2011
Der Liebe wegen kam der Weltklasse-Musiker Tim Collins nach München - jetzt unterrichtet er an der Musikschule Erding
Mit gerade mal 30 Jahren gehört der New Yorker Vibraphonist und Schlagzeuger schon zu den Besten seines Fachs. Seit September unterrichtet Tim Collins als Schlagzeuger an der Kreismusikschule Erding. Es war die Liebe zu einer Münchnerin, die Collins zuerst nach Salzburg und dann nach München gebracht hat, wo er seit einem Jahr lebt. In New York hatte er die Geigerin der Münchner Philharmoniker kennengelernt, seit zwei Jahren ist er mit ihr verheiratet.
"Die Münchner Jazz-Szene war begeistert, dass er kommt. Er hat schon mit den Besten gespielt", schwärmt Reinhard Loechle, Leiter der Erdinger Musikschule, über den hochkarätigen Neuzugang - und fügt hinzu: "Weltklasse-Musiker sind nicht unbedingt oft gute Lehrer, aber er ist auch ein guter Pädagoge."
Der Kontakt nach Erding war durch den ebenfalls überregional bekannten Schlagzeuger Arno Haselsteiner zustande gekommen, der auch an der Musikschule unterrichtet. Er hatte Collins in München spielen gehört und gleich angesprochen. "So ein Kontakt kommt nicht über die Ausschreibung einer Stelle zustande", sagt Loechle. In Erding unterrichtet Collins zurzeit zwölf Schüler zwischen neun und sechzehn Jahren. Außerdem ist er an der Neuen Jazz School München und an der Bavarian International School Haimhausen tätig.
Die Musikerkarriere ist Tim Collins in die Wiege gelegt worden, in seiner Familie machen alle Musik. DIe Elten und Großeltern spielen Klavier, da überrascht es nicht, dass auch Tim Klavierunterricht bekommt. Das Schlagzeugspielen hat er sich zunächst selbst beigebracht, wie er sagt: "Schlagzeug habe ich von MTV gelernt". Schon als Sechsjähriger sah er ständig den Musiksender und spielte die Lieder auf dem Schlagzeug nach. Mit 18 Jahren lernte er Marimbaphon bei dem amerikanischen Percussionisten und Komponisten Gordon Scout, ein Jahr später kaufte er sich sein erstes Vibraphon. An der Manhattan School of Music studierte er bei dem renommierten Jazz-Vibraphonisten Joe Locke. Dass Collins heute alles spielen kann, von Klassik über Jazz bis Rock, verdankt er seiner breitgefächerten Ausbildung und seinem vielfältigen musikalischen Interessse. Während seines Studiums hatte er verschiedene intensive Zahlen, wie er erzählt: "Im ersten Jahr an der Universität habe ich sehr intensiv klassisches Marimbaphon studiert, im zweiten Jahr habe ich wie verrückt Milton Jackson studiert. Irgendwann hatte ich auch eine Conga-Phase, da wollte ich Conga lernen und kubanischen Salsa spielen."
Offenheit für verschiedene Musikstile will Collins auch seinen Schülern vermitteln. "Ich versuche, die Schüler in verschiedene Richtungen zu beeinflussen, aber ich kann verstehen, wenn ein Kind am liebsten Nirvana spielen will. Schließlich bin ich selbst mit der Rockmusik aufgewachsen", sagt er. Auch er habe erst später angefangen, Jazz und Klassik zu hören - nicht zuletzt durch seine Frau.
Collins unterrichtet seit zehn Jahren, seit er in Deutschland ist, lernt er auch von seinen Schülern: "Mein Unterricht hier hat meinem Deutsch sehr geholfen", stellt der New Yorker zufrieden fest. Vom Big Apple nach Bayern - klar, das sei auch eine Umstellung gewesen. Natürlich vermisst er seine Familie und Freunde, natürlich ist die Münchner Jazz-Szene eher klein im Vergleich zu der Jazz-Metropole New York. Hier schätzt er es, dass er viel Unterricht geben kann, außerdem gefällt ihm, überall bequem mit dem Fahrrad hinfahren zu können. Im September hat Tim Collins eine neue CD herausgebracht: "Castles and Hilltops". Ausgenommen wurde die Platte in Brooklyn, das CD-Release-Konzert fand in der Münchner Unterfahrt statt. Einer seiner Weggefährten ist der Münchner Pianist und Organist Matthias Bublath, der über sieben Jahre als freischaffender Musiker in New York lebte. Bublath spielt im Tim Collins Quartet, zu dem auch der Bassist Peter Cudek und der Schlagzeuger Rick Hollander gehören. Am 16. November werden sie om Amerika Haus in München spielen. Auch beim Jazzfest München wird Collins zu sehen sein. Am 16. Dezember spielt er mit dem Max von Mosch Quartet.
Till Dziallas